Akzeptanz

Selbstakzeptanz statt Selbstliebe – warum es manchmal reicht, sich selbst auszuhalten

Wir leben in einer Zeit, in der „Selbstliebe“ allgegenwärtig scheint. Kaum scrollt man durch soziale Medien, springen einem Slogans entgegen wie: „Liebe dich selbst – dann wird alles gut.“ Klingt schön, oder? Nur leider: so einfach ist es nicht. Und aus Sicht der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie (REVT) sogar problematisch.

 

Das Problem mit der Selbstliebe

Albert Ellis, der Begründer der REVT, hätte wahrscheinlich über das moderne Selbstliebe-Ideal den Kopf geschüttelt. Denn was passiert, wenn wir uns nicht lieben können? Wenn wir uns gerade unsicher, ängstlich, schuldig oder unzulänglich fühlen? Dann scheitern wir an einem Ideal – und genau das führt zu noch mehr Selbstkritik.

Selbstliebe wird damit oft zu einer neuen Forderung an uns selbst:
👉 „Ich sollte mich lieben!“
👉 „Ich darf mich nicht schlecht fühlen!“

Aber in der REVT gilt: Es sind genau diese muss- und sollte-Überzeugungen, die emotionalen Stress erzeugen. Wenn wir uns vorschreiben, dass wir uns ständig lieben müssen, setzen wir uns unter Druck – und verurteilen uns, wenn das nicht gelingt. So entsteht eine subtile zweite Schicht aus Versagen und Scham: „Ich kann mich nicht mal richtig lieben.“

Das ist der Punkt, an dem die Idee der Selbstliebe kippt – von einer hilfreichen Haltung zu einem überhöhten Anspruch.

 

Selbstakzeptanz – der realistische Weg

In der REVT geht es nicht darum, sich zu „lieben“, sondern darum, sich anzunehmen – mit allen Stärken, Schwächen und Widersprüchen.

Selbstakzeptanz heißt:
Ich darf existieren, auch wenn ich nicht perfekt bin.
Ich darf Fehler machen, ohne meinen Wert in Frage zu stellen.
Ich darf mich heute unsicher fühlen und morgen trotzdem weitermachen.

Das klingt vielleicht unspektakulär, ist aber therapeutisch wirksam. Denn Akzeptanz ist keine Emotion, sondern eine Haltung. Sie braucht kein „besonderes Gefühl“ – sondern die Entscheidung, mit sich selbst in Kontakt zu bleiben, auch wenn das innere Erleben gerade unbequem ist.

 

Das Paradox der Akzeptanz

Ich erlebe es in meiner Praxis immer wieder: Viele Menschen fürchten, dass Selbstakzeptanz Stillstand bedeutet: „Wenn ich mich so akzeptiere, wie ich bin, entwickle ich mich ja nicht mehr.“
Doch das Gegenteil ist der Fall.

Wahre Veränderung beginnt genau dort, wo wir aufhören, gegen uns selbst zu kämpfen.
Erst wenn ich mich annehme, wie ich bin, kann ich realistisch einschätzen, wo ich etwas verändern möchte – nicht aus Selbsthass, sondern aus Interesse und Verantwortung.

Selbstakzeptanz ist also kein resigniertes „Na gut, dann bleibe ich halt so“, sondern ein ehrlicher Ausgangspunkt für Wachstum.

 

 

Fazit: Wir müssen uns nicht lieben, um gut mit uns umzugehen

Selbstliebe mag ein schönes Wort sein, aber es führt oft in die Irre. In der Psychotherapie – besonders in der REVT – geht es nicht um das große Gefühl, sondern um innere Klarheit und Handlungsfähigkeit.

Wir dürfen lernen, uns mit all unseren Unzulänglichkeiten anzunehmen, Verantwortung zu übernehmen und aktiv Einfluss zu nehmen.

Denn das ist echte Selbstfürsorge:
Nicht sich selbst idealisieren – sondern sich selbst aushalten, verstehen und gestalten.

 

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